Auf den Spuren von Theresia Bechinie: Die Rätsel ihrer verschiedenen Namen

Die jüdische Vorfahrin gibt Rätsel auf

Die Suche nach den Vorfahren mag zwar eine faszinierende und herausfordernde Aufgabe sein, ist aber bei dieser Vorfahrin besonders verwirrend und nervenaufreibend. Es geht darum, die Geschichte der jüdischen Ehefrau von Philipp Adam Bechinie zu ergründen. Dabei stoßen wir auf einige Ungereimtheiten und offene Fragen, die den Reiz dieser Familiengeschichte ausmachen.

Die Chronologie laut Kirchenbuchrecherchen:

  • Taufe der Jüdin Apollonia Jablotzkin auf den Namen Teresia Kosso-Horska 
  1. 10. 1768 im Taufregister von Amschelberg (Kosova Hora):

auf deutsch:

Im Städtchen Koss.(ova) Hora im selben Jahr, am 30. Oktober, in der Pfarrkirche des Heiligen Bartholomäus, Apostel, von mir, dem örtlichen Pfarrer und Dekanatsvikar Karl Peter Wottava, mit der Erlaubnis des ehrwürdigsten erzbischöflichen Amtes, die jüdische Untreue aufgebend, wurde Apollonia Jablotzkin, die nach 4 Jahren Ehe von ihrem Ehemann geflohen ist und darum bittet, der orthodoxen Religion zugerechnet zu werden, feierlich getauft und erhielt den Namen Teresia mit dem Beinamen Kosso-Horska. Ihre Taufpatin war die hochgeborene Dame Teresia Lipparskin, geborene Malovizova von Malovicz, Herrin von Kiniovitz. Zeugen: Die hochgeborene Dame Evgenia, Gräfin Hradeczkiana von Hradecz.geborene Freiin von Bechinie, Herrin von Rothradek (Cerveny Hradek) und Strzebnicz. Der hochgeborene Herr Joseph, Graf Khun, Herr von Nemilkov. Der hochgeborene Herr Graf Petrus Hradeczki, Herr von Rothradek (Cerveny Hradek) und Strzebnicz.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass hier eine Vorfahrin von uns, die spätere Ehefrau von Philipp Adam Bechinie, getauft wird. Jedenfalls wird hier eine Jüdin auf den Vornamen Theresia getauft und ca. ein Jahr später heiratet Philipp Adam Bechinie eine getaufte Jüdin, die – wie sich aus anderen Kirchenbucheintragungen ergibt – den Vornamen Teresia führte. 

 

  • Heirat von Philipp Adam Bechinie mit der getauften Jüdin Rudolph(iana) am 22.10.1769 in Chlum:

Die  Hochzeitseintragung von Philipp Adam Bechinie  liefert uns in diesem Falle leider keine verwertbaren Informationen über die beiden Eheleute – außer dem Namen des Ehemanns.  Seine Frau wird lediglich „jüdisch getaufte Braut Rudolphiana“ genannt. Hier ist eine Übersetzung des Eintrags ins Deutsche:

Im Jahr 1769, am 22. Oktober, schlossen die ehrbaren Bräutigam D.(ominus) Philippus Bechinie aus der königlichen Stadt Rakovník und seine getaufte jüdische Braut Rudolphiana aus der Stadt Kosova Hora in Freiheit die Ehe, in Gegenwart von mir, Joanne Durzpek, dem ortsansässigen Pfarrer, und vor den Zeugen Rabula D.(ominus) Antonius Krazarek, dem Kinovicer Beamten, und der Patin Elisabetha Kotinlowa, der Kammerfrau beim Kinovicer Herrenhaus. Nachdem alle drei Aufgebote verlesen wurden, von denen die erste am 20., die zweite am 21. und die dritte am 22. Sonntag nach Pfingsten stattfand, und kein kanonisches Hindernis entdeckt wurde, wurden sie reich vermählt.

  • Hochzeit des Sohnes im Februar 1803 in Bernau (Zakouti)

Hier heißt die Mutter Theresia geb. Kopidlansky aus Kosova Hora:

Das betreffende Kirchenbuch ist nicht online, da verbrannt. Ich habe aber von einem Archiv die Kopie eines Duplikats erhalten.

Sind  Theresia Kopidlansky und “Rudolph(iana)” ident?

Davon kann man wohl ausgehen, da es sich um die Ehefrau von Philipp Adam Bechinie handelt und der Herkunftsort Kosova Hora ist. Bei der Geburt des Sohnes Josef im Jahre 1803 wird die Mutter lediglich als Teresia bezeichnet.

Die zeitliche Abfolge, der Vorname und der Ort sprechen dafür, dass Theresia Kopidlansky und “Rudolph” dieselbe Person sein könnten. Allerdings gibt es auch einige Gegenargumente. Der Hauptwiderspruch ist der Name “Rudolph(iana)”, der im Hochzeitseintrag auftaucht, während der Taufeintrag die Namen “Apolonia” und “Theresia“ enthält. Dieser Widerspruch führt zu weiteren Fragen bezüglich der Identität der Frau.

 

Besteht Identiät zwischen der Ehefrau des Philipp Adam Bechinie und der Apollonia Jablotzkin getaufte Teresia Kosso-Horska?

Das ist ungeklärt.

Was spricht für die Identiät:

  • Es handelt sich jeweils um eine getaufte Jüdin
  • Herkunft aus Amschelberg
  • Vorname Teresia
  • zeitlicher Verlauf (Taufe ca. 1 Jahr vor der Eheschließung)
  • dass bisher keine andere Taufe gefunden wurde, in der eine Jüdin auf den Namen Theresia getauft wurde *)
  • bei der Taufe war eine geborene von Bechinie Zeugin

Was spricht dagegen:

  • Die verschiedenen Namen

Historische Hintergründe und Recherchen:

Von Frau Christina Kaul vom Verein Familia Austria wissen wir Folgendes: Die Judengemeinde von Amschelberg in Böhmen ist sehr alt und soll bereits im 16. Jahrhundert bestanden haben. Die jüdische Quellenlage vor 1782 ist jedoch eingeschränkt, da erst mit der Toleranz der Juden offizielle jüdische Matriken eingeführt wurden. Theresia Rudolph könnte aus einem der zahlreichen Orte in der Umgebung von Beneschau stammen, in denen es alte Judengemeinden gab.

Frau Kaul hat die Taufen in Amschelberg zwischen 1762 und 1769 durchgesehen und die Taufe der Apolonia Jablonzsky identifiziert. Sie hat auch die Familiennamen Rudolph und Kopidlansky berücksichtigt. Sie schreibt: Der Taufeintrag deutet darauf hin, dass Apolonia aus einer jüdischen Familie stammte, die zu der Zeit noch keinen erblichen Familiennamen hatte. Das ist sehr gut möglich, denn viele Juden nahmen diesen erst etwas später um 1780-1790 an. Demnach wurde der Ort der Taufe – Kosova Hora – zum Familiennamen gemacht.

Es wurde erhoben, dass es sich beim jüdischen Ehemann um Abraham Jablonsky, der 1764 den Heiratskonsens erhalten hat und der in Amschelberg lebte, handelte. Er soll ein armer Jude geswesen sein und vom Hausieren gelebt haben.

Darüber hinaus wurden in den verschiedenen jüdischen Quellen, wie Familiantenbüchern und Judenkonskriptionen, weitere Informationen über die Familie Jablonsky und den Familiennamen Rudolph gefunden.

Die adeligen Taufpaten und Zeugen bei der Taufe sind nicht ungewöhnlich. Bei der ‚Rettung einer jüdischen Seele fürs Christentum‘ mitzumachen, war gut für die eigene Seele! Die Grafen Khuen von Belasy waren ein altes Adelsgeschlecht. 

Ich habe in der Folge über Empfehlung von Frau Kaul das Herrschaftsarchiv von Amschelberg angeschrieben um dort  Akten zum Fall Abraham Jablonzsky zu finden, die den vollen Namen der Braut, ihre Herkunft, Eltern und Mitgift enthalten könnten. Zudem könnten Vermerke zur Taufe von Apolonia Jablonzsky vorhanden sein. Sie empfahl, bei der Stadt Amschelberg und dem Regionalarchiv Prag nach dem Verbleib des Herrschaftsarchivs Amschelberg anzufragen.

Das habe ich gemacht, leider ohne Erfolg. Zuletzt erhielt ich eine Antwort des Staatlichen Regionalarchivs in Prag (Státní oblastní archiv v Praze), dass keine relevanten Unterlagen gefunden wurden. Es wurde aber bestätigt, dass in Kosova Hora in dieser Zeit die jüdische Familie Jablonsky lebte, einschließlich des Abraham Jablonsky.

Was man noch machen könnte:

Vom Regionalarchiv Prag wurde mir noch  geraten, mich an das Bezirksarchiv Příbram zu wenden, vera.smolova@soapraha.cz, möglicherweise auch an das Nationalarchiv in Prag, na1@nacr.cz oder helena.klimova@nacr.cz.

*) in Amschelberg, Kosovo Hora vor 1762 nach der Taufe einer anderen Jüdin auf den Namen Theresia suchen, Frau Kaul schrieb mir, sie habe 1762-1769 gesucht und keine gefunden

Tabellarischer Überblick:

EreignisDatumOrtNameDetails
0Jüdischer Namevor 1764Misskowitz/MyslkovicePesselHeirat mit Abraham Jablonsky in Kosova Hora
1Jüdischer NameVor 1768Kosova Hora (Amschelberg)Apollonia JablanzskyMöglicher jüdischer Name von Theresia
2Jüdisch verheiratet1764-1768Kosova Hora (Amschelberg)Apollonia JablotzkinVerheiratet mit ihrem Ehemann; verließ ihn nach vier Jahren
3Taufe30. Okt. 1768Kosova Hora (Amschelberg)Theresia (Koso-Horska)Taufe in der katholischen Kirche, Patin Teresia Lipparskin, geborene Malovizova de Malovicz, Zeugen Evgenia, Gräfin Hradeczkiana von Hradecz, Joseph Graf Khun und Peter Graf Hradeczki
4Ledigenname-Kosova Hora (Amschelberg)KopidlanskyName, der bei MyHeritage erscheint
5Eigene Heirat22.10. 1769Kosova Hora (Amschelberg)RudolphianaName der Braut bei der Heirat mit Philipp Adam Bechinie
6Heirat des Sohnes JosefFebruar 1803Bernau/ZakoutiKopidlanskyHeirat von Theresias Sohn Josef,
7Judenkonskription 1783-RudolphGut Czellin: Rudolf, verheiratet, Leinwandhändler, zahlt 10 fl.
8Judenkonskription 1783-Samuel RudolffGut Czim: Samuel Rudolff, verheiratet, 4 Kinder, lebt mit Branntwein und Flußsieden, zahlt 17 fl.

Quellenangaben:

0. jmuller@toledot.org

  1. Ereignis: Taufe

    Quelle: [https://ebadatelna.soapraha.cz/d/6850/60]

  2. Ereignis: Ledigenname

    Quelle: MyHeritage

  3. Ereignis: Eigene Heirat

    Quelle: [https://ebadatelna.soapraha.cz/d/5876/167])

  4. Ereignis: Heirat des Sohnes Josef

    Quelle: Nicht online, aber ich habe ein Duplikat

  5. Ereignis: Judenkonskription 1783 (Rudolph)

    Quelle: Judenkonskription 1783

  6. Ereignis: Judenkonskription 1783 (Samuel Rudolff)

    Quelle: Judenkonskription 1783

Die Erforschung der Familiengeschichte von Apolonia zeigt, wie spannend und komplex die Suche nach den Wurzeln unserer Vorfahren sein kann. Trotz der vorhandenen Ungewissheiten und offenen Fragen bietet die Geschichte von Apolonia Einblicke in die jüdische Geschichte und die damalige Zeit. Da so viele verschiedene Namen für diese Vorfahrin infrage kommen, scheint es mir sehr unsicher, ob alle wirklich dieselbe Person betreffen. Vielleicht ist die am 30. Oktober 1768 in Amschelberg getaufte Theresia – trotz der Indizien -doch nicht jene konvertierte Jüdin, die Philipp Adam Bechinie heiratete und die unsere Vorfahrin  ist?

Nachtrag:

Um die Sache noch komplizierter aber auch nochspannender zu machen, habe ich jetzt einen weiteren Namen für unsere Vorfahrin erfahren: Abraham Jablonsky heiratete 1764 in Kosova Hora (Amschelberg) die  Pessel von Misskowitz/Myslkovice. Sie könnte  unsere Vorfahrin sein. Diese weitere Spur führt also vor 1764 nach Myslkovice in der südböhmischen Region (Jihočeský kraj).

Danksagung:

Für die Mithilfe bei der Suche danke ich dem Verein Familia Austria und besonders Frau Christine Kaul und Herrn Julius Müller von TOLEDOT, einem Zentrum für genealogische Forschung über jüdische Gemeinden und Familien in Tschechien.